Schlüssel und Schloss
In der Besprechung zur Videospielreihe Might & Magic von Stay Forever (brauche ich bestimmt niemandem mehr empfehlen, aber wenn doch: unbedingt reinhören!) gab es eine kurze Beschreibung dazu, wie das Spiel die Spielenden vor Probleme stellt. Mich hat diese Herangehensweise interessiert, da sie anschaulich illustriert, wie unterschiedlich Pen-&-Paper-Rollenspiele und Videospiele sind. Beschrieben wird das alles im Podcast mit dem Schlüssel-und-Schloss-Prinzip: Die Charaktere geraten in eine Situation, für die es meist nur eine Lösung gibt, genauso wie eine rote Tür nur mit einem roten Schlüssel (oder Keycard) geöffnet werden muss. Aber in diesem Fall kann der Schlüssel auch ein spezieller Zauberspruch sein, eine Fertigkeit wie Klettern oder Schwimmen oder eben ein bestimmter Gegenstand. Das kennt man auch aus der Reihe The Legend of Zelda: Ohne Flossen kommt man nicht in den Wassertempel, ohne die Krafthandschuhe kann man bestimmte Teile Hyrules nicht erkunden und ohne den Enterhaken kann man so manchen Abgrund nicht überqueren. Diese Methode funktioniert hervorragend in Videospielen, aber nicht in Rollenspielen.
In Rollenspielabenteuern muss die Schlüssel-und-Schloss-Methode vermieden werden. Ein Problem, dass nur durch eine Lösung überwunden werden kann schränkt die Handlungsfreiheit ein, führt zu Frust und ist auch kein gutes Rätsel. Es ist ein Spielstopper. Man denke an die verschlossene Dungeontür, die nur mit einem erfolgreichen Wurf auf Schlösser knacken geöffnet werden kann, die magische Barriere, die mit Magie bannen aufgehoben werden muss oder den Steindrachen, der nur mit der Lösung eines Rätselreims den Korridor freigibt. Videospiele können so funktionieren, Pen-&-Paper-Rollenspiele nicht. Kreative Lösungswege und nicht vorgezeichnete Handlungswege sind schließlich Teil des Erlebnisses Rollenspiel.
Um das Schlüssel-Schloss-Prinzip bei der Abenteuergestaltung zu verhindern, sollte man nicht in Lösungen, sondern in Problemen denken. Erreicht die Gruppe eine Schlucht in einer alten Zwergemine und sie will auf die andere Seite, steht sie vor einem Problem. Vielleicht gibt es ein Zauberwort, um eine Lichtbrücke über den Abgrund herbeizuzaubern, aber das kann und darf nicht die einzige Lösung sein! Vielleicht versucht die Schurkin an den Deckentropfsteinen hinüberzuklettern und der Zwerg der Gruppe versucht einen Enterhaken rüberzuschießen, damit man die andere Seite erreichen kann. Der Zauberer hat vielleicht einen Zauber, der hilfreich ist (Feuerball um eine Felsensäule zum Einsturz zu bringen, die dann den Abgrund überspannt; Fliegen; Federfall, um problemlos den Abgrund hinabzugleiten; etc.) und die Kriegerin sucht derweil nach einem Geheimgang. Vielleicht ist der Gott des Klerikers auch gütig und erschafft eine Brücke für die Gläubigen (natürlich kann der Kleriker neue Anhänger schnell konvertieren). Befindet sich vielleicht etwas hilfreiches in einem anderen Raum, kann die Gruppe die Lederflügel einer Riesenfledermaus zweckentfremden oder kletteren einfach alle die Schlucht hinab und auf der anderen Seite wieder hinauf? Diese Möglichkeiten kann man als SL oder Autor bei der Abenteuergestaltung mitdenken, aber die meisten Lösungen ergeben sich spontan am Tisch. Die Gruppe wird mit einem Problem konfrontiert, sie untersucht die Umgebung, prüft ihre Fertigkeiten und Zauber und wählt dann anschließend aus all diesen Werkzeugen etwas aus, das hoffentlich zum Erfolg führt.
Wenn ich ein Abenteuer entwickle bin ich schnell dabei ein komplexes Problem zu gestalten, dass nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip funktioniert. Hier ein grüner Schlüssel, dort ein Zahnrad, etwas Öl aus dem Nebenraum damit die Maschine wieder funktioniert … Schnell hat man ein Point-&-Click-Adventure anstelle eines Pen-&-Paper-Rollenspiels. Sind solche Probleme notwendig, um das Abenteuer zu bestehen, sollte man sie herauskürzen. Sind sie ein Nebenschauplatz, ein Extra oder Geheimnis, das man entdecken kann, kann man sie verschmerzen. Man sollte sie dennoch sparsam einsetzen und seine Zeit lieber damit verbringen Probleme zu entwickeln, statt kreative Schlüssel für ungewöhnliche Schlösser zu finden.
Doku: Double Fine PsychOdyssey
Exzellente Doku über Double Fine und Psychonauts 2:
PS
34 Episoden!!!
Unübersetzbare Gegenstände: Sackgasse
Die Sackgasse ist ein unscheinbarer Sack aus mitternachtsblauem Leinen mit einem silbernen Zugband. Man könnte annehmen, dass ein Dutzend große Äpfel in dem Sack Platz finden, doch tatsächlich findet man hier eine weitläufige Gasse in einer Feenstadt. Man blickt hinab auf eine schmale Straße, sieht viele Häuschen die aneinanderlehnen, manche uralt und andere frisch eingerichtet. In den Butzenscheiben der Läden leuchten gelbe und blaue Kerzenflammen, ein kalter Herbstnebel kriecht über die Pflastersteine. Kleine und große Feenwesen, Elfenfürsten mit ihren Kürbissen, Kröten und Katzen durchqueren die Gasse und gehen ihren Geschäften nach. Auf den Dächern sitzen Rabenprinzen und -prinzessinen, hungrige Eulen und verzauberte Sperber. Hier in der Sackgasse werden alle möglichen Waren und Dienstleistungen feilgeboten: alte Legenden, frische Einfälle, träumende Eidechsen, singende Flaschenkobolde, Zauberbögen und (teilweise) verfluchte Schwerter. Sucht man nach einem speziellen Gegenstand, einer obskuren Information oder einer Dienstleitung, kann die Spielleitung 1W6 würfeln: bei einer 6 ist diese Ware oder Dienstleistung gerade verfügbar, bei einer 1 ist es das letzte Objekt seiner Art und kostet das dreifache oder etwas Ungewöhnliches (dein Name, einen deiner Freunde, die Erinnerung an einen Zauber, den W20 als Aktionswürfel, etc.)
Alles was vollständig in den Sack gelegt wird, verändert magisch seine Größe und taucht zufällig in einem der Geschäfte in der Feenwelt auf. Die Spielleitung bestimmt beispielsweise „Rosals Düfte und Parfüms“ als den aktuellen Laden, macht sich eine Notiz dazu (weil sie sich den Laden gerade ausdachte) und würfelt 1W6. Ist das Ergebnis gerade landet das Objekt tatsächlich dort, bei einem ungeraden Ergebnis ist der Spielende zur Linken dran und denkt sich selbst ein Geschäft aus. Es sollten Notizen und vielleicht sogar eine Karte der Gasse gemacht werden. In regelmäßigen Abständen sollte man mit 1W6 würfeln, um herauszufinden, ob der Laden noch existiert. Bei einer 1 wurde das Geschäft aufgegeben. Um die Ware zu bekommen, muss sie aus dem Sack herausgebracht werden.
Das Zugband des Sackes kann so gelockert werden, dass auch ein Halbling hineinpassen würde. Für einen ausgewachsenen Menschen ist die Öffnung allerdings zu klein.
Dies ist ein Gegenstand aus der Reihe Unübersetzbare Gegenstände.
William von Baskerville ist zu schlau
William von Baskerville, bekannt aus Umberto Ecos Roman Der Name der Rose ist außerordentlich scharfsinnig. Seine Beobachtungsgabe und seine Fähigkeiten zu deduzieren gleicht der von Sherlock Holmes, aber das ist beim Namen Baskerville natürlich auch kein Zufall (wobei der Fall der Baskervilles kein Ruhmesblatt für Sherlock Holmes ist, wie Pierre Bayard in seinem Buch Freispruch für den Hund der Baskervilles feststellte). Zugleich hat der Mönch einen unstillbaren Wissensdurst. Das Kloster, in dem die Handlung des Romans spielt, besitzt eine gewaltige Bibliothek und allzu gern möchte William einen Blick auf die kostbaren Bücher werfen. Doch die Bibliothek ist für niemanden zugänglich, außer für den Bibliothekar und seinen Adlatus.
Nun stellt es sich aber heraus, dass der Abt des Klosters ein Problem hat: Adelmus von Otranto, einer der Klostermönche, ist zu Tode gekommen, womöglich ermordet? Es gehen seltsame Dinge im Kloster vor und der ehemalige Inquisitor William von Baskerville könnte das Problem lösen. Der Abt braucht einen Außenseiter mit besonderen Fähigkeiten (wie das auch so häufig bei Rollenspielabenteuern der Fall ist). Und wie es um Williams Fähigkeiten bestellt ist, erfahren wir gleich zweimal zu Beginn des Romans: Zuerst hilft William dem Cellerar des Klosters dabei, das Pferd des Abtes zu finden – wohlgemerkt ohne das William den Abt, das Pferd oder gar das eigentliche Problem kennt. Es ist eine klassische Sherlock-Holmes-Szene, eine Demonstration der Begabung und Fähigkeit des Detektivs (wie der Spazierstock im Hund der Baskervilles oder der zerbeulte Hut in der Geschichte Der blaue Karfunkel). Später, im Gespräch mit dem Abt, deduziert William logisch nachvollziehbar, warum der Abt befürchtet, dass etwas Schändliches in seinem Kloster vorgeht. Auch wenn William den Tatort nie sah, wo Adelmus zu Tode gekommen ist, kann er dem Abt eine Erklärung liefern, warum keine Spuren von Regenwasser zu finden waren. Beeindruckt kommentiert der Abt: „Wahrlich, man hat mir noch nicht genug berichtet von Eurem Scharfsinn […].“ Der Abt ist sich also sicher: wenn jemand das Problem lösen kann, dann William von Baskerville.
Da der Tote Adelmus ein bekannter Miniaturenmaler war und der Mord und viele Hinweise auf die Bibliothek deuten, möchte William das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Vermutlich ist er in Wahrheit viel mehr daran interessiert die Bibliothek zu sehen, als dieses kleine Mordrätsel zu lösen, was den Abt so sehr beschäftigt. So trägt William also vor, dass es entscheidend sein könnte, die Bibliothek selbst zu untersuchen. Aber der Abt beharrt darauf, dass es unmöglich sei die Bibliothek zu betreten, ja es ist sogar gefährlich: „Kämt Ihr hinein, Ihr kämt nicht wieder heraus.“ Aber William hat einen guten Hebel, um erneut anzusetzen:
„Wie soll ich einen Tod untersuchen, wenn ich den Ort nicht sehen darf, an dem die Geschichte seines Todes möglicherweise begonnen hat?“
Das ist der entscheidene Punkt. Es gibt keinen sinnvollen Grund die Regeln des Klosters in diesem Zusammenhang weiterhin aufrechtzuerhalten. Der Abt will den Kriminalfall vom Detektiv aufgeklärt sehen (der im Rollenspiel für die Gruppe steht und der auf seinem Charakterbogen als Fate Aspekt etwas wie Sherlock Holmes stehen hat oder eine Intelligenz von 18 besitzt, 90% in Verborgenes erkennen besitzt, etc.) und William kann den Fall problemlos aufklären (wir haben seine Expertise bereits zweimal gesehen). Wie praktisch für William, dass die Bibliothek mit dem Kriminalfall verknüpft ist und er so Nachforschungen anstellen und gleichzeitig noch einige seltene Bücher begutachten kann. Der Einwand von William ist also völlig berechtigt: Ich würde ja wirklich gern dein Problem lösen, ehrenwerter Abt, aber wenn ich nicht in die Bibliothek kann, wie soll ich das dann machen? Aber er hat nicht mit der Findigkeit des Abtes gerechnet, der zu folgender Erwiderung ausholt:
„Verehrtester Bruder William“, sagte der Abt konziliant, „einem Mann, der meinen Rappen Brunellus beschreiben konnte, ohne ihn je gesehen zu haben, und der den Tod des Adelmus zu schildern vermochte, obwohl er so gut wie nichts darüber wußte – einem solchen Manne wird es kaum schwerfallen, in seine Gedanken Orte miteinzubeziehen, zu denen er keinen Zutritt hat.“
Eine bessere Verkehrung von überragender Intelligenz und Beobachtungsgabe ist mir nicht bekannt! Zum einen, weil der Abt Williams überragenden Scharfsinn in eine Schwäche verwandelt und zum anderen, weil William nun gezwungen ist seinen Status als bester Detektiv verteidigen zu müssen. Würde William darauf bestehen den Tatort zu untersuchen, würde er seine Genialität schmälern und da er eine gewisse Eitelkeit besitzt, kommt das nicht in Frage. Dies schwingt auch bei Sherlock Holmes mit, der gerne Dr. Watson und Inspektor Lestrade schulmeisterliche Erklärungen gibt, was sie übersehen haben. Der Abt hat William in dieser Hinsicht durchschaut, packt ihn bei seiner Eitelkeit und nutzt den Vorteil „Sherlock Holmes“ als Nachteil.
Spieltests und Rückmeldungen
Beim Schreiben eines Abenteuers (und nachfolgend meine ich Abenteuer, die für eine Veröffentlichung bestimmt sind) gibt es eine Menge zu beachten. Spieltests sind vermutlich der wichtigste Teil beim Abenteuerdesign, gerade wenn es darum geht Fehler und Inkonsistenzen aufzudecken und anschließend zu verbessern. Dabei gibt es zwei Varianten von Spieltests: Man leitet sein selbstgeschriebenes Abenteuer selbst oder man lässt sein Abenteuer von jemand anderem leiten.
Selbst testen
In der ersten Variante gilt es herauszufinden, wie die Spielgruppe auf das Abenteuer reagiert. Als Autor des Abenteuers, weiß ich auch meist ohne genaue Notizen was sich in den Räumen befindet, wie die NSC heißen oder wie man die Geheimtür öffnet. Was ich hingegen nicht weiß ist, ob die Gruppe die ausgestreuten Hinweise versteht, ob die Raumbeschreibungen klar genug sind oder ob die Kampfbegegnungen zu wenig Optionen bieten. Die Gruppe trifft zum ersten Mal auf dieses Abenteuer und ich mache mir Notizen beim Leiten. Anschließend frage ich nach dem Eindruck, den alle vom Abenteuer hatten. Manchmal lohnt es sich zu verheimlichen, dass man das Abenteuer selbst geschrieben hat, damit die Rückmeldungen ehrlich sind und nichts aus Höflichkeit verschwiegen wird.
Andere testen lassen
In der zweiten Variante ist es wichtig, dass eine fremde Spielleitung zum ersten Mal das Abenteuer liest und dann einer ebenfalls fremden Gruppe präsentiert. Hier geht es darum herauszufinden, ob die Aufbereitung des Abenteuers nachvollziehbar ist (das kann bereits im Manuskript wichtig sein, ist im endgültigen Layout aber noch entscheidender) und ob die Texte auch für andere verständlich sind. Gleiches gilt für Karten und die generelle Abenteueridee: Ist der Aufbau eines Schlosses klar beschrieben, haben die NSC nachvollziehbare Motivationen und findet sich die SL und die Gruppe am Abenteuerschauplatz zurecht. Rückmeldungen erhält man dann sowohl von der Spielleitung als auch von der Spielgruppe. Bei der Spielleitung ist Feedback vorallem zum Text selbst wichtig, weil dies das erste Mal ist, dass jemand das Abenteuer vorbereitet, der sich das Ganze nicht ausgedacht hat und jedes Detail kennt.
Rückmeldungen
Entscheidend für gute Rückmeldungen ist die Art, in der man die Rückmeldungen erhält. Die meisten Tipps die konkret auf gewisse Verbesserungen hinweisen (wäre es nicht besser wenn …) sind weniger hilfreich. Die Gruppe kennt oft nur einen Ausschnitt des Abenteuers und kann nur bedingt konkretes Feedback geben. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass auch manche konkrete Rückmeldung mir als Autor nützlich sind, aber in der Regel helfen mir andere Formen der Rückmeldung mehr. Robin Laws beschreibt, dass er lieber Spielberichte hören möchte, statt konkrete Verbesserungen. Die Vorgehensweise der Gruppe gibt in einem Spielbericht Aufschluss darüber, was gut und weniger gut in einem Abenteuer funktioniert. Neil Gaiman beschreibt das ähnlich in Bezug auf Rückmeldungen zu Geschichten (was natürlich nur bedingt auf Rollenspielabenteuer übertragbar ist): Ist eine Rückmeldung besonders konkret (der Bürgermeister sollte der Detektivin mehr Steine in den Weg legen; es wäre besser wenn die Musikerin im Orchester jemanden vergiftet; der Polizist braucht einen Hund; o.ä.) sollte man ihr weniger Beachtung schenken. Aber ist die Rückmeldung zu einer Szene eher ein „Irgendetwas stimmt in dieser Szene nicht, ich konnte an dieser Stelle nicht richtig folgen“ oder „Ich habe keine Verbindung zu den Charakteren“ oder „Ich konnte mich in dem Schloss auch am Ende der Geschichte nicht zurechtfinden“, dann sollte man hellhörig werden und seinen Text überarbeiten.
Es gibt noch viele weitere Aspekte bezüglich Spieltests und Rückmeldungen, aber dieses Thema tauchte heute nachmittag in einem Gespräch mit Andreas auf.
Trailer: Sea of Stars
Von Sabotage Studio, die bereits The Messenger gemacht haben. kommt ein klassisches JRPG. Erscheint am 29.08.2023!
Metroid Prime Remastered
Das war ja mal eine Überraschung! Kann man bereits herunterladen und zocken. Im März kommt die Cartridge auf den Markt, so lange werde ich noch warten müssen …
Neuer Trailer: The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom
Am 12. Mai 2023 mach ich dann mal Urlaub … Ich muss nur noch die Collectors Edition bekommen!