Der Abgrund, unendliche Weiten …
Das Leveldesign von Dark Souls zeichnet sich durch seine Konnektivität und seine Vertikalität aus. Man erklimmt in Anor Londo die höchsten Höhen Lordrans und im Schlund des Abgrunds dürfte man wohl den tiefsten Ort erreichen. Wobei es auch der Aschesee sein könnte, der am Grund der Welt liegt. Aber wie dem auch sei, meine Reise führte durch das zerstörte Oolacile tief hinab in die Finsternis, wo lebenshungrige Geister und die Bewohner der einst prächtigen Stadt hausen, nun vom Abgrund verändert und entstellt. Hier verbirgt sich auch Sif, der getreue Wolfsgefährte von Ritter Artorias, der uns theoretisch im Kampf gegen das größte aller Übel unterstützt: Manus der Vater des Abgrunds.
Wenn Artorias aggressiv ist, dann ist Manus völlig außer Kontrolle. Es vergehen keine zwei Atemzüge, da springt er dir bereits ins Gesicht und zermalmt dich mit seiner gigantischen Klaue. Es war übrigens jene Klaue, die mich im Finsterwurz-Becken durch die Zeit riss. Und ja, man kann Sif beschwören, aber der Wolf ist viel kleiner und viel zu ungefährlich. Man möchte ihn lieber streicheln statt in den Kampf schicken. Dabei war er bei meiner letzten Begegnung ein formidabler Kämpfer, riesengroß und mit einem mächtigen Schwert, aber hier hat er nur die normale Größe eines Wolfs. Obendrein nimmt er schnell Schaden und humpelt dann so langsam, dass er Manus für einen erfolgreichen Angriff gar nicht mehr erreicht. Denn Manus ist schnell (wie die Vogelspinne), noch schneller als Artorias und beherrscht zugleich einige garstige Zaubersprüche. Die Zauber kann man glücklicherweise mit dem Silberanhänger abwehren, den ich zufällig in Oolacile fand (man musste nur ein kleines Rätsel lösen und wer hätte gedacht, dass ich nochmal diese Schädellaterne einsetze, die ich zuletzt in den Katakomben der Riesen verwendet habe), aber Sif kann sich nicht gegen die verherrende Magie wehren. Kurzum in den vielen, vielen Anläufen hab ich sowohl mit Sif als auch ohne Sif die gleichen (Nicht-) Erfolge erzielt.
Zum Schluss war es vor allem eine Geduldsprobe. Zu Beginn des Kampfes erscheinen die Angriffe von Manus erratisch, heftig und vernichtend. Nach jedem Versuch arbeitete ich mich weiter vor, erkannte Muster und leitete daraus meine Handlungsoptionen ab. Da ich natürlich nur Sekunden hatte, um entweder auszuweichen, anzugreifen, Estus zu trinken oder das Schild zu heben, traf ich regelmäßig die falsche Entscheidung und starb. Dass ich zusätzlich nur wenig Schaden verursachte, half auch nicht dabei den Kampf abzukürzen. Es dauerte zwei bis drei Stunden, um Manus zu besiegen. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich es versucht habe, aber ich habe den Weg zu Manus irgendwann verflucht. Der Zauberer auf der Anhöhe, die Geister, der schmale Pfad über die umgestürzte Säule … allein der Gedanke daran … Ich bin froh, dass ich diesen Weg nie wieder gehen muss.
Nach Manus blieben nur zwei Bosse offen: der Schwarze Drache Kalameet und natürlich Aschefürst Gwyn. Kalameet stellte mich vor die nächste Herausforderung. Ich dachte nach Manus und Artorias könnte mich nichts mehr aufhalten, aber dieser Drache war zäh. Es heißt, dass selbst Anor Londo sich nicht mit ihm angelegt habe und ihn seine Bahn kreisen ließ. Das sollte mich natürlich nicht aufhalten, wie gefährlich wird der Drache schon sein? Kalameet entpuppte sich als ziemlich groß, aber nicht langsam. Mit einem Zauber konnte er meine Schadensreduktion erheblich senken. Er hat verschiedene Möglichkeiten mit seinem Odem anzugreifen, er kann dich im Flug angreifen, mit seinen Klauen schlagen, mit seinem Schwanz umherpeitschen und armselige Ritter unter ihm, mit seinem Körper zerquetschen. Ich habe viele Todesarten gesehen, denn auch Kalameet hat mich zahllose Anläufe gekostet und sicherlich zwei weitere Stunden beschäftigt. Der Drache vertrug viele, viele Schläge mit dem Schwert und der Kampf war auch ein Kampf gegen die Unaufmerksamkeit. Denn Kalameet kann sich mehrere Fehler erlauben, aber jeder Fehler meinerseits führt zum Verbauch von Estus, zum Verlust einer Chance auf Schaden oder zum Verlust meines Lebens. Und dann kam der schlimmste Teil des Kampfes:
Danach habe ich Kalameet leidenschaftlich gehasst. Ich war so wütend, dass der Controller unter meinem Griff knackte. Ich konnte mich zurückhalten und nichts durch den Raum werfen, aber ich war schon lange nicht mehr so zornig. Natürlich war es mein Fehler, ich war zu gierig. Dieser eine Schlag noch … Das führte zum Untergang. Die nächsten Versuche gegen den Drachen anzutreten waren völlig sinnlos. Ich war zu zornig, zu unüberlegt. Ich hätte das Spiel ausschalten sollen. Ein Spaziergang wäre richtig gewesen, aber ich wollte den Drachen nicht so davonkommen lassen. Irgendwann war es einfach geschafft. Das DLC war wirklich unberechenbar und deutlich schwerer als alles, was ich bis dato erlebt hatte. Seath, Nito, das Chaoswesen von Izaltih und die Vier Könige – nachträglich kommen mir diese Gefechte wie kleine Scharmützel vor.
Als ich herausfand, dass man das Wort Scharmützel auch als Verb benutzen kann, war ich erfreut. Aber weitaus erfreuter war ich, als der garstige Drachen endlich zu Seelenstaub zerfallen war. Ich scharmützelte bzw. scharmutzierte (was jemand sagen würde, der in einem längst vergangenen Jahrhundert gegen Kalameet angetreten wäre) gegen den Schwarzen Drachen, verbrauchte alle Estus-Flakons und gewann. Was für ein Kampf (vermutlich im direkten Vergleich zu Scharmützel der passendere Situationsbegriff, aber mal unter uns: Ist Scharmützel nicht ein hervorragendes Wort, das viel zu selten eingesetzt wird?). Damit war das DLC geschafft und ich reiste zurück durch Zeit und Raum. Überraschenderweise erhielt ich auf der Playstation keine Trophäen für das bestandene DLC-Abenteuer. Ich hätte wirklich gern gewusst, wieviele Prozent der Spielenden Artorias, Manus und Kalameet zu Fall gebracht haben. Aber ich konnte nicht viel Zeit im Menü verbringen, denn die Urschlange Frampt wartet darauf, dass ich endlich die größte aller Aufgaben erledige:
Alle Fürstenseelen waren versammelt, das Siegel war gebrochen. So öffnete sich das Tor, das so viele Stunden verschlossen war. Ich ging eine Treppe hinab, flankiert von Phantomen. Waren es die Geister, die es nicht zu Gwyn geschafft haben? Langsam (ich vermutete noch einen Angriff der Phantome) betrat ich das Reich von Aschefürst Gwyn: Der Ofen der Ersten Flamme.
Die aschgraue Gegend, mit den gewaltigen, zerschmolzenen und erstarrten Steinsäulen ist ein trostloser Anblick. Wie nicht anders zu erwarten, muss hier das gewaltigste Feuer gewütet haben. Die Asche knirschte unter meinen schweren Stiefeln. Der Himmel war so grau und trostlos, wie die Aschedünen. Einige letzte Ritter verteidigten ihren Fürsten, aber zielsicher steuerte ich auf die runden Ruinen zu, die an einen Kessel gemahnten.
Betritt man den letzten Schauplatz von Dark Souls, dann vernimmt man sofort die Musik. Ein wehmütiges Klavierstück, passend zu diesem leblosen, grauen Ort an dem einst gewaltige Flammen loderten. Nun brennt hier nur ein einziges Feuer: die Flamme von Gwyns Schwert. Der alte Fürst weiß seine Klinge zu führen. Er ist agil. Zwar nicht so agil wie sein treuer Ritter Artorias oder wie Manus, aber dennoch schnell genug, um mich beim ersten Mal zu überraschen und schwer zu verwunden. In dem alten Mann steckt noch immer das Feuer und wann immer er mich zu fassen bekam, entlud sich ein Feuerball und verkohlte mich. Gwyn blieb immer dicht an mir dran, kämpfte verbissen, aber war doch verloren. Seine Angriffe ließen sich leicht parieren. Während des Kampfes erkannte ich, dass meine Reise in nur wenigen Hieben zu Ende sein wird. Eine Reise die vor vielen Monaten begann.
Dann durchbohrte meine Klinge das letzte Mal den Leib von Gwyn. Der Fürst des Sonnenlichts lag zu meinen Füßen, sein Körper zerfiel zu Seelenasche und ich stand allein im Ofen der Ersten Flamme.
Und als ich das letzte Leuchtfeuer entzündete, wusste ich, dass meine Reise durch das Reich Lordran und durch Dark Souls ein Ende gefunden hat. 86 Stunden sind seit meinem ersten Erwachen im Asyl der Untoten vergangen. 86 Stunden voller großer und kleiner Tode, voller Entdeckungen, voller Staunen, nervenzerreißender Spannung und voller Spielspaß (auch wenn es wirklich nicht leicht war). Und um den zweiten Satz in meinem ersten Beitrag aus Januar 2022 zu beantworten:
Ich werde meine Fortschritte hier dokumentieren, mal gucken wie lange ich das durchhalte.
Ich hab es auf die Dark-Souls-Art gemacht: Auch wenn es hart war, hab ich es bis zum Ende durchgehalten.