Bei Tropen kommt man schnell ins Schwitzen. Wer jemals ein Tropenhaus von Innen gefühlt hat oder sogar den langen, beschwerlichen Weg wagte und die Tropen in freier Wildbahn aufsuchte, der wird nun bedeutsam nicken. Tropen bringen auch Rhetoriker ins Schwitzen, gerade wenn sie Erzählmuster untersuchen. Auch als SL hat man dann und wann den Drang etwas zu tun, was die Spielgruppe ins Schwitzen bringt und greift auf Situationen zurück, die im Laufe eines Rollenspiellebens vielleicht etwas zu häufig auftauchen. Nehmen wir also unseren Tropenhut und machen wir uns auf den Weg in die Welt der Dinge, die ich als SL nur ein einziges Mal machen sollte. Aber stellen wir uns doch zuvor die Frage: Ist dir das so etwas auch schon passiert oder hast du so etwas mal deiner Spielrunde präsentiert?
Mit Gedächtnisverlust aufwachen
Die Charaktere erwachen an einem Ort und können sich nicht erinnern, wie sie hierher gekommen sind. Das Abenteuer beginnt, um es mit John Tynes Titelworten zu sagen, In Media(s) Res. In mitten der Dinge tauchen die Charaktere auf und das Abenteuer nimmt seinen Lauf. Meistens liegt eine Leiche im Raum, oftmals sind die Charaktere vorgegeben (und es gibt reichlich Konfliktpotential untereinander) und es gibt einen Handlungsdruck („Aufmachen! Polizei!“). Der Rest solcher Abenteuer besteht aus Memento-artigen Montagen, in dem man immer mehr darüber erfährt, warum die Charaktere hier zusammengekommen sind und warum sie ihr Gedächtnis verloren haben. Das ist ein schöner Start, aber das erlebt man in seinem Rollenspielleben einfach zu oft.
Ohne Ausrüstung im Kerker beginnen
Das ist eine Variante vom „Gedächtnisverlust“, die sich aber lohnt getrennt aufzuführen, da sie einen anderen Ansatz verfolgt. Meist starten wir hier in eine epische Fantasy-Kampagne (oder das Kennenlernen eines neuen Charakters) und müssen die Charaktere schnell zusammenbringen. Was liegt da näher, als alle in einen Kerker zu stecken? Flucht vom Purpurplaneten von Harley Stroh beginnt auf diese Art und Weise (als ein Trichter für DCC), Aus dem Abyss für 5E ebenfalls, das DSA-Soloabenteuer Netz der Mörder startet ebenso und wer Baldurs Gate 2 – Schatten über Amn gespielt hat, wird sich an Irenicus Kerker sicherlich erinnern. Auch das kann ein schöner Start sein, passiert einem aber auch recht häufig im Rollenspielleben. Problematisch ist es vorallem, da auch hier einem die Entscheidungsfreiheit genommen wird, gerade wenn die Situation sich nicht sofort auflöst.
Der Auftraggeber ist ein Verräter
Ein typischer Auftrag in einer Welt voller Elfen und Zwerge lautet: Bringt mir das magische Artefakt und ihr erhaltet eine stattliche Anzahl Goldmünzen. Gesagt getan! Doch oh Schreck, nach der Übergabe des Artefakts entpuppt sich die freundliche alte Dame oder der gutmütige alte Herr als Ursprung allen Böses in der Welt. Potzblitz, wie konnten wir darauf nur hereinfallen! Das soll uns fortan nie wieder passieren. Und gerade das ist der Grund, warum man das nur ein einziges Mal machen sollte: Die Gruppe wird zu misstrauisch und jeder Auftrag problematisch. Könnte die Königin nicht auch eine Verräterin sein? Der Zauberer hat sich versprochen, war das ein Hinweis auf seinen bevorstehenden Verrat? (Nein, das war einfach nur fehlendes Schauspieltalent, meinerseits). Besonders schwierig wird es, wenn die SL regelmäßig versucht die Gruppe bloßzustellen mit einer „Überraschung“ – es erschüttert nachhaltig das Vertrauensverhältnis zwischen Spielgruppe und Leitung.
Ergänzung: Auf der Feencon gab es den Hinweis, dass man als betrogene Gruppe eine besondere Motivation hat, den Verräter zur Strecke zu bringen. Das stimmt. Trotzdem bleibt das Problem des Vertrauens gegenüber der Spielleitung, das erschüttert wurde. Es bleibt vermutlich eine Gratwanderung, ich würde den Verrat so selten wie möglich verwenden.
Trickreiche Fallen
Grimmzahns Fallen sind ausgesprochen kreativ darin ihre Opfer aus dem Diesseits zu werfen (meistens in handlichen Schnitzeln). Leider führen diese Fallen dazu, dass jeder Ausflug in den Dungeon zu einem Desaster wird. Jede weitere Erforschung führt zu einer kleinteiligen Untersuchung jedes Raumes und das Spiel fließt fortan so rasant und aufregend wie Pech. Und das wird nicht nur für diesen Dungeon der Fall sein … Nein, man wird sich immer daran zurückerinnern und fortan jeden Dungeon in Pech-Geschwindigkeit durchqueren. So unterhaltsam die Lektüre von Grimmzahns Fallen auch ist, im Spiel sollte man sowas wirklich nur einmal einsetzen (oder zumindest ankündigen, dass man in einer Variante von Tomb of Horrors gelandet ist), vor allem wenn die Falle auch noch versteckt ist. Wie Chris McDowall in seinem Artikel über Fallen ja bereits schrieb, sollte eine Falle offensichtlich sein, so dass man mit ihr interagieren kann.
Alles nur ein Traum
In der ersten Staffel von Rod Serlings Twilight Zone gibt es eine Verfilmung von Charles Beaumonts Story Perchance to Dream. In dieser Geschichte leidet ein herzkranker Mann unter Alpträumen. Er erzählt seinem Psychiater von den Träumen, doch am Ende stellt sich heraus, dass selbst die Konsultation geträumt war. Der Held aus The Legend of Zelda, Link, der in Link’s Awakening auf einer Insel namens Cocolint verschiedene Abenteuer erlebt, muss aber am Ende auch erkennen, dass diese Insel und alle Bewohner nur ein Traum sind. Wenn dieser Twist besonders gut gemacht ist, kann er im Rollenspiel funktionieren – vielleicht sogar mehr als einmal. Aber allzu oft ist das Traumende keine gute Idee. Alles was erlebt wurde, alle Entscheidungen, alle Kämpfe, alle Triumphe und Niederlagen werden mit einem Satz fortgewischt: Ihr erwacht aus eurem Traum. Noch frustriender ist, wenn jeder in der Gruppe weiß, dass es ein Traum ist, aber trotzdem noch drei Stunden bis zum „Twist“ gespielt werden muss. Da würde ich mir auch wünschen endlich Aufzuwachen …
Ergänzung: Die Traumlande für Cthulhu sind hier ein kleiner Sonderfall, da hier die Charaktere in der Wachen Welt und den Traumlanden Abenteuer erleben und nichts negiert wird. Im Gegenteil: Oft haben die Schrecken der Traumlande auch Auswirkungen auf die Wache Welt.
Nicht das Ende verraten
Einer der schlimmsten SL-Tipps aller Zeiten ist: Verrate niemals das Ende eines Abenteuers, kläre nie etwas auf, denn das GeheimnisTM ist so viel wertvoller, als die Wahrheit. Das mag vielleicht für fantastische Filme, Videospiele, packende Prosa oder Serien gelten, aber bei Rollenspielabenteuern möchte ich am Ende schon wissen, was ich da mehrere Spielabende lang getan habe. Zumal ich mich vielleicht nicht mehr erinnern kann, was am 14. Februar 2018 passiert ist, als die rote Ritterin mir einen geheimnisvollen Handschlag zeigte. David Lynch gelingt so etwas in seinen Filmen, aber wir sind nicht David Lynch und er macht Filme, keine Rollenspiele. Ich muss am Ende nicht alle Geheimnisse oder Geheimräume aufklären, die nicht gefunden wurden (schließlich kann ich sie wiederverwenden), aber ich finde die Gruppe sollte jemandem von dem Abenteuer erzählen können und zwar so, dass es auch verständlich ist.
Die Charaktere stehen unter einem Geas und müssen tun, was der Geas verlangt.
„Ich möchte lieber nicht“, sagte Bartleby der Schreiber in der gleichnamigen Erzählung von Herman Melville. Vielleicht Stand er unter einem Geas? Wer weiß das schon, aber was wir wissen ist, dass Die Attentäter des Schwarzen Auges so starten und wenn Bartleby ein Attentäter gewesen wäre, hätte er sich mit seinem immer gleichen „Ich möchte lieber nicht“ nicht herausreden können! Der Auftrag, den man nicht ablehnen kann, der einen peinigt und vernichtet, bis man den korrekten Pfad eingeschlagen hat, ist eine ungeschickte Methode, um Gradlinigkeit zu erzeugen. Die Attentätter von Ulrich Kiesow werden gelobt und getadelt. Auch hier ist es eine Gratwanderung, die man wirklich selten einsetzen sollte. Dennoch kann ein Geas funktionieren, aber man sollte stets bedenken, dass die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit das höchste Gut für die Spielenden ist. Diese Freiheiten sollten verdammt selten beschnitten werden und schon gar nicht über einen langen Zeitraum.
Ergänzung: Man spricht es übrigens „Gesch“ aus.
Und, wie viele Fragen habt ihr mit „Ja“ beantwortet? Abgesehen vom Geas ist mir schon alles passiert, aber ich habe ich habe auch noch nicht Geas of the Star Chons von Julian Bernick geleitet bzw. gespielt.