Die Geschichte in einem Satz: Um den Sammlerwert hochzutreiben, versenkt Onkel Dagobert alle Zehn-Kreuzer-Münzen von 1916 im Ozean, verliert aber seine Münze und muss nun auf den Grund des Ozeans tauchen, wo die Ducks Atlantis findet.

Der verlorene Zehner erschien 1954 und wurde von Carl Barks gezeichnet und geschrieben (unter Mitwirkung von Chase Craig). Auf deutsch erschien er in den Mickey Maus Beilagen 18 in den 1960er Jahren. Er liegt mir in der Barks Library Special Onkel Dagobert Nr. 6 vor und wurde von Dr. Erika Fuchs übersetzt. Gelesen am 15.11.2024.

Dies ist nicht die erste Duck-Geschichte, die ich in letzter Zeit gelesen habe, aber dennoch möchte ich gern mit ihr beginnen. Der verlorene Zehner beginnt mit Donalds Schulden an Dagobert und einen Fehler den Dagobert macht. Er zahlt seinem Neffen eine Provision in einer (wie er denkt) wertlosen Münze aus, die Donald aber für fünf Taler bei einem Münzsammler verkaufen kann. Um diesen Fehler auszugleichen beginnt Dagobert alle Zehn-Kreuzer-Münzen von 1916 aufzukaufen, mit dem Plan die Münzen verschwinden zu lassen, damit der Sammlerpreis ins unermessliche steigt. Der beste Ort, um einen gewaltigen Haufen Münzen zu entsorgen, ist natürlich der Atlantische Ozean und nachdem alle Münzen versenkt wurden ist der Zehner tatsächlich 10 Millionen Taler wert. Doch durch ein Missgeschick verliert Dagobert den Kreuzer und muss nun zusammen mit Donald und Tick, Trick und Track auf den Grund des Atlantiks, um wenigstens einen weiteren Zehner zu bergen. Dank besonderer Tauchanzüge (die Luft erneuert sich automatisch, man kann sich untereinander unterhalten und sie leuchten im Dunkeln des Meeres) gelingt es Donald und Dagobert tief hinabzutauchen und finden (zu ihrer Überraschung) das verlorene Atlantis. Zunächst scheint der Ort voller gestufter Tempeltürme verlassen zu sein, doch dann entdecken die Ducks die hier lebenden Fischwesen. Die kostbaren Zehner werden vom König der Atlanter als Schmuck getragen und Dagobert grabscht gierig nach ihnen. Dieser Affront wäre Grund genug die beiden einzusperren, aber die Atlanter verfolgen auch ein höheres Ziel: Da niemand vom sagenumwobenen Atlantis erfahren darf, dürfen die Besucher den Ort nie wieder verlassen. Dagobert und Donald werden gefangen genommen und erhalten von einem Geschichtslehrer Unterricht über das atlantische Reich. Währenddessen machen sich Donalds Neffen Sorgen und Tick und Trick starten einen Tauchgang, um herauszufinden, was passiert ist. Auch sie werden gefangenen genommen, zeigen sich aber deutlich interessierter an der Geschichte von Atlantis und erhalten vom Lehrer einen Stadtrundgang. Dort entdecken sie ein altes Frachtflugzeug und können die Atlanter mit einer Jukebox faszinieren (die praktischerweise mit den Zehnern gefüttert werden kann), die dort ein Teil der Fracht war. Durch die ablenkende Musik gelingt den Ducks die Flucht und sie versprechen, dass Geheimnis von Atlantis nicht zu verraten.

Im aufschlussreichen Hintergrundartikel von Geoffrey Blum, wird die Entstehungsgeschichte von „Der verlorene Zehner“ beschrieben. Passend zum deutschen Titel (das Original wurde nachträglich The Secret of Atlantis getauft), war diese Geschichte als Zehnseiter konzipiert und ja, beim lesen des Comics fällt auf, dass die Geschichte klar zwei Teile hat, die miteinander verwoben wurden. Der Situations-Slapstick-Humor (inklusive einer Tortenschlacht) zu Beginn der Geschichte steht im Gegensatz zum abenteuerlich-wissenschaftlichen Atlantis-Teil. Ich finde trotzdem, dass Barks beide Handlungsstränge gut miteinander verknüpft, aber Blum hält richtig fest (Blum, 1998): „Tatsächlich läßt der Einstieg in den Hauptteil der Geschichte bei keinem anderen Onkel-Dagobert-Comic so lange auf sich warten.“ Aber die Überraschung als Lesender bei der Entdeckung von Atlantis ist groß und wird durch den herrlichen Gag „Oh! Walfische!“ begleitet, der mich an den kleinen King-Kong-Gag in Treehouse of Horror III der Simpsons erinnert: „Seht euch nur diese riesige Plattform an!“ Wie sehr „Der verlorene Zehner“ aber einen erzählerischen Wendepunkt darstellt und wie sich der Comic zu den späteren Geschichten wie Die Königin der sieben Meere verhält, kann ich derzeit nicht beurteilen, dafür fehlt mir noch der große Überblick.

Was ich aber beurteilen kann, ist das Abenteuer in das die Ducks verstrickt werden. Das versunkene Atlantis wird fabelhaft im fünften Panel auf S. 20 gezeigt. Das Abtauchen der Ducks zu den tiefsten Tiefen, dargestellt durch die Anglerfische und schließlich die gewaltigen Wale (die missbilligend die Eindringlinge beobachten), ist einfach faszinierend. Das die Taucheranzüge dabei aus dem Bereich der technischen Phantasie stammen, stört hingegen nicht. Sie sind ein Werkzeug, damit die Geschichte funktioniert. Das gewaltige Atlantis, das sich aus dem Meeresdunkeln empor hebt erinnert an die Zikkurats des untergangenen Mesopotamiens, ergänzt um kegelförmige Dächer. Zahlreiche Treppenstufen verbinden die einzelnen Prachtbauten miteinander und die erstarrte Magma zeugt vom Untergang des einst prächtigen Reiches. Aber ja, Blum beobachtet richtig, wenn er schreibt, dass die Stadt selbst „recht dürftig ausgebildet“ ist (Blum, 1998). Die kleinen Ideen mit elektrischen Aalen als Stromspender, Leuchtfisch-Beleuchtung und die Ringkämpfe zwischen Riesenkraken kratzen nur an der Oberfläche. Wie Tick und Trick möchte man, gemeinsam mit dem atlantischen Lehrer, mehr von den Bewohnern und den Gebäuden sehen, doch viel Zeit dazu haben wir nicht. Stück für Stück kehren wir an die Oberfläche zurück. Zuerst durch ein abgestürztes Flugzeug, dann durch die Musikbox und die Zehn-Kreuzer-Stücke, die den Fischwesen das Hören von Popmusik ermöglichen und schließlich natürlich der Ausbruch der Ducks, die rasch ihrem unterseeischen Gefägnis entkommen wollen. Wenn dies wirklich der Start von weiteren großen Abenteuergeschichten ist, dann freue ich mich schon auf die nächste Expedition!

Rollenspielerisches

Die lange Vorgeschichte vor dem großen Abenteuer ist ein Beispiel dafür, dass man in seinen Abenteuern und Kampagnen schneller zum Punkt kommen sollte. In einem Comic dauert es nicht so lang die ersten 10 Seiten zu lesen, aber wäre die Geschichte rund um die Schulden und den Zehner ein Rollenspielabenteuer, würden wir sicherlich einen, vielleicht sogar zwei Abende etwas spielen, was eigentlich nur ein kleines Vorspiel sein sollte. Ja, die Hinführung über kostbare Münzen ist wichtig für die Grundlage von Dagoberts Idee, aber in einem Abenteuer, sollte man deutlich dichter an Atlantis starten, weil dort das spannende Abenteuer stattfindet.

Versunkene Städte, die scheinbar unbewohnt sind und sich dann als bewohnt entpuppen sind natürlich großartig und jedes gute Abenteuer kann soetwas gebrauchen. Die Stadt selbst ist außerdem mit ihren Zikkurats interessant dargestellt und besitzt dazu noch moderne Ansätze wie Leuchtreklame und Laternen. In einem Abenteuer wäre eine genauere Untersuchung der Stadt noch spannender. Ähnlich wie die Forscher in dem Roman Berge des Wahnsinns von H.P. Lovecraft, könnten die Ducks unterschiedliche Gebäude und Tempel untersuchen und anhand der Zeichen und Bilder herausfinden, was mit Atlantis passiert ist. Das wäre für ein Rollenspiel besser, als die Spielleitung, die alles wie ein Geschichtslehrer erzählt. Außerdem könnte man sich vor den Fischwesen verstecken und so versuchen, der Gefangennahme zu entgehen.

Der gesuchte Schatz (Die Zehn-Kreuzer-Münzen) wird als Schmuck entdeckt, den der König der Atlanter trägt. Dagoberts Ansatz, die Münzen zu rauben, funktioniert nicht. Aber könnte man nicht eine andere Möglichkeit finden? Ohnehin wird ein Kampf gegen einen Gegner in einem Rollenspielabenteuer interessanter, wenn es nicht nur darum geht den Gegner zu töten. Wäre das Ziel „Den Schmuck stehlen“, so könnte man den König vielleicht überreden, man könnte ihn in einen Kampf verwickeln und dabei versuchen den Schmuck zu entwenden, der Dieb der Gruppe könnte den Schmuck aus den Gemächern des Königs rauben oder vielleicht muss man wirklich den König kämpfen und ihn besiegen, aber dies wäre nur ein Mittel, um in den Besitz des Schmucks zu kommen.

 

Rollenspielerische Randnotizen

  • Anglerfische als Leuchtmittel für Laternen ist eine tolle Idee. Man denke nur an Anglerfische als natürliche Laternen im Dungeon (gibt es bestimmt in Veins of the Earth von Patrick Stuart).
  • Zitteraale als Energiequelle lassen sich angepasst auch als Werkzeug in einem Abenteuer nutzen oder vielleicht gibt es auch Magiaale, die magische Energien in sich tragen und angezapft werden können.
  • Seltene, alte Münzen können gute Schätze sein (wenn man einen Sammler als Käufer findet) und tauchen durchaus öfter mal in Abenteuern auf.
  • Warum sprechen die Atlanter eigentlich dieselbe Sprache wie die Ducks? Weil die atlantische Sprache die Grundlage aller Sprachen ist – eine schnelle Problemlösung und schon geht das Abenteuer weiter. Ein Ansatz den man als SL befolgen sollte.
  • Die selbstleuchtenden und luftaufbereitenden Taucheranzüge sind gute magische Gegenstände für Tiefseeabenteuer und dazu noch eine schnelle Problemlösung, damit das Abenteuer unter dem Meer funktioniert.

Quellen

  • Blum, Geoffrey: „Der verlorene Zehner“ – Wendepunkt in Barks‘ Erzählstil in Barks, Carl: Barks Library Special Onkel Dagobert Nr. 6, Stuttgart, 1998
  • Duckipedia über Der verlorene Zehner