Die Geschichte in einem Satz: Donald soll Dagoberts Schätze abstauben, findet dabei eine versteckte Schatzkarte und reist in die Mongolei, um den „Schatz aus dem Nichts“ zu finden.
Der „Schatz aus dem Nichts“ wurde am 01.06.1996 auf Italienisch veröffentlicht und ist im Lustigen Taschenbuch Nr. 232 zu finden. Die Story wurde von Ezio Borciani geschrieben, die Zeichnungen stammen von Lucio Leoni und die Übersetzung wurde von Gerlinde Schurr angefertigt. Ich habe die Geschichte am 05.01.2025 im LTB 232 gelesen.
Abstauben bei Onkel Dagobert kann sich lohnen! Während Donald die Schätze seines Onkels aufräumt, findet er in einer scheinbar leeren Schatulle eine Schatzkarte und einen riesigen Klunker. Die Karte wird von einem Reim begleitet, der Hinweise auf den „Schatz aus dem Nichts“ gibt und Donald fackelt nicht lang und beginnt allein seine Schatzsuche. Sie führt ihn in die Mongolei, zur Wüste Gobi und zum verschneiten Gipfel des „Bergs der Erkenntnis“. Schließlich findet er einen alten Eremiten, der ihn insgeheim vor drei Prüfungen stellt. Donald gelingt es Opferbereitschaft, Demut und Willenskraft zu zeigen. Die letzte Prüfung stellt ihn vor die Wahl: Reichtum und Einsamkeit oder Armut und Liebe? Nach längerem Grübeln entscheidet sich Donald für die Liebe – die richtige Entscheidung, sagt der Eremit. Arm, aber glücklich reist Donald zurück nach Entenhausen (den riesigen Klunker darf er behalten – Onkel Dagobert hat sein Fehlen wohl nicht bemerkt).
Wie heißt es doch so schön: „Und am Ende ist nicht das Gold der Schatz, sondern die Freundschaft, die ihr auf dem Weg geschlossen habt.“ Humbug! Onkel Dagobert hasst diesen Trick. Moralgeschichten waren nie meine liebsten Duck-Geschichten. Dennoch lohnt sich ein Blick auf Der „Schatz aus dem Nichts“, denn es ist zugleich eine gute Abenteuergeschichte. Donalds Reise durch die Mongolei hat mehrere Szenen, die zu gefallen wissen. Da wäre zum einen der schöne Szenenwechsel von Entenhausen in die Mongolei: Um die Echtheit der Schatzkarte zu prüfen, fährt Donald zu Primus von Quack. Primus hilft Donald die Schauplätze auf der Karte zu verorten und beginnt sodann einen kleinen Diavortrag über die Mongolei und die Wüste Gobi. Und während Donald kinnkratzend die kargen Landschaften betrachtet und dabei denkt „Alles in allem nicht gerade die Art von Klima …“ Nächstes Panel. Donald schlägt sich durch die frostwindige Kargheit der Wüste Gobi: „… die du bevorzugst.“ Das ist erfreulich rasant erzählt und bringt uns rasand ins Abenteuer.
Bravourös in Szene gesetzt ist auch die Wüste Gobi selbst, die übrigens die Wüste mit den größten Temperaturunterschieden ist. Liegen im Sommer die Temperaturen bei 35° und mehr, fällt die Temperatur im Winter auf -30° (siehe Wikipedia). Wir sehen die kegelförmigen Felsmassive, die vom Wind geschliffen werden, Donald, der versucht sein kleines Lagerfeuer am Leben zu halten, die zwei Gipfel im fahlen Licht des Vollmonds oder die Eulecho-Ebene an deren Horizont eine Gipfelkette aufragt. Wir reisen mit Donald durch Sturm und brennende Sonne, nutzen die Winde als Antrieb für unser Trocken-Surfbrett, das mit einem großen Segel ausgestattet ist und erreichen schließlich den schneebedeckten, umschatteten Gipfel des Bergs der Erkenntnis. Eiskalt weht der Wind, mühsam ist der Aufstieg. Lawinen drohen uns zu verschütten und schließlich verliert Donald den Halt und dann das Bewusstsein. So lassen wir das weiß und blau der Schneeberge hinter uns und erwachen in der warmen braun-orange-roten Höhle des freundlichen Eremiten. Dessen Heim bietet neben köstlichem Eintopf auch einige Geheimnisse, so führt eine lange dunkle Treppe hinab zu einer gewaltigen beschlagenen Tür und den dahinterliegenden besonderen Raum, in dem Donald die letzte Prüfung bestehen muss:
Eine schlichte Holzpforte und eine mit kunstvollen Schriftzeichen eingerahmte Eisentür findet man in diesem taghellen Raum. Zwischen den Türen ein Yin-und-Yang Zeichen und zwei Drachen, die die Türen schmücken. Während der eine Drache fröhlich über der Holztür lächelt, umklammert der andere arglistig eine Schatztruhe – die zwei Wege, die Donald beschreiten kann. Abgesehen von diesen Türen, ist der Raum eigentümlich, gerade im Vergleich zur Eremitenhöhle: Die Wände sind geglättet, grüne Fliesen auf dem Boden und ein Sofa voller bunter Kissen lädt zum Verweilen ein. Man fragt sich, ob der Eremit sich hier zur Ruhe legt.
Mit 32 Seiten ist die Geschichte flott erzählt, ohne zu langweilen. Das moralische Ende ist mir hingegen zu eindimensional, zumal die Moral recht fragwürdig ist, dass man arm sein muss, um Liebe zu bekommen. Hm. Die Illustrationen wissen allerdings zu gefallen, angefangen von Dagoberts Schatzkammer, über die Blautöne in der Wüste und den Erdtönen beim Eremiten. Außerdem ist der Schatzreim sorgsam übersetzt.
Und noch ein gutes Zitat: „Mein Leben ist so leer, wie diese Truhe …“
Rollenspielerisches
Herkömmliche Erzählungen lassen häufig rollenspielerisch Brauchbares erwarten und ja, Der „Schatz aus dem Nichts“ hat einiges für die heimische Rollenspielrunde zu bieten. Natürlich ist eine Schatzsuche mit Karte stets ein gutes Abenteuer und hier gibt es sogar noch einen kleinen Schatzsucherreim, der die Richtung angibt. Ich kann mich gar nicht erinnern, so etwas schonmal gespielt oder geleitet zu haben. Die meisten Schätze findet man eher nebenbei bei seiner Auftragserfüllung. Aber wo wir schon bei Schätzen sind …
Werfen wir mal einen Blick auf Dagoberts Schatzkammer (siehe LTB 232, S. 38, Panel 3) und was wir dort finden. Daraus können wir eine W12-Tabelle mit Schatzobjekten generieren, die etwas Farbe in jede Schatzkammer bringt:
01 Kostbare, aber zerbrechliche Vase.
02 Großes Gemälde einer historischen Person. Würfle erneut! Gerades Ergebnis: Person trägt Flügelhelm.
03 Schmuckschild, kann als Verteidigung verwendet werden. Verliert pro Verteidigung 1W10 GM an Wert.
04 Statue historischer Personen. Würfle erneut! Gerades Ergebnis: Augen sind aus Smaragden.
05 Gewaltige, geschliffene Diamanten.
06 Truhen und Krüge voller Goldmünzen und Edelsteinen.
07 Eine stattliche Krone.
08 Kostbare Amulette mit Rubinen.
09 Armreifen aus Gold, besetzt mit Rubinen.
10 Ein heiliges Symbol besetzt mit Edelsteinen.
11 Kostbares Buch (oder ist es eine Briefmarke?) unter einer Glasglocke.
12 Eine Schatulle mit einer Schatzkarte.
Nach den Schätzen werfen wir natürlich auch einen Blick auf Donalds Reise. Wie schon erwähnt ist der Übergang zwischen Exposition und Abenteuerreise erfreulich kurz. Wer Tempo ins Abenteuer bringen möchte, sollte die Zwischenschritte einer Reise so deutlich abkürzen. Wer allerdings Wert darauf legt, Ölsardinen von Öl in seinen Frachtlisten zu unterscheiden, während die Expedition in die Antarktis beladen wird, der sollte diesen erzählerischen Weg nicht gehen. Aber einmal angekommen hat Donalds Reise folgende Etappen:
- Der Unterschlupf und die Suche nach Feuerholz
- Die Zwillingsgipfel
- Die Eulecho-Ebene
- Mit Windkraft über die Ebene zum Berg der Erkenntnis
- Der verschneite Berggipfel
- Die Höhle des Eremiten und die Prüfungen.
Abwechslungsreichtum ist entscheidend auf längeren Reisepassagen, genauso wie gute Landmarken. Die Zwillingsgipfel im Vollmond und der Berg der Erkenntnis in der Ferne, helfen die Orientierung zu behalten und sorgen dafür, dass die Schatzsuche funktioniert, da sie auf der Karte erwähnt werden. Die Eulecho-Ebene ist ein seltsamer Ort (die hier lebenden Eulen wiederholen jedes gesprochene Wort), was anzeigt, dass wir die normale Welt hinter uns lassen und nun in die mythische Welt eindringen, deren Mittelpunkt der Berg der Erkenntnis ist. So eine Ebene einzubauen kann nützlich sein, um der Gruppe zu zeigen, dass sie nun an einem fremden und seltsamen Ort ist. Das erinnert an die „mythische Unterwelt“ des Dungeons und in dieser Unterwelt herrschen andere Regeln als in der Oberwelt. Die mythische Unterwelt ist auch in der Höhle des Eremiten erfahrbar, denn das Allerheiligste, tief im Berg der Erkenntnis, ist ein seltsamer Ort mit drachengeschmückten Türen, kosmischen Symbolen und lebensverändernden Entscheidungen.
Zuletzt noch ein Blick auf die Prüfungen. Das kann man im Rollenspiel einbauen (ich habe das selbst schon bei Feenhandel in Beyond the Wall benutzt), aber wichtig ist, dass die Prüfungen keine Spielstopper sind. Spielstopper sind so etwas wie verschlossenen Türen, die sich nur durch einen Schlüssel öffnen lassen (man denke an den Großen Schlüssel von The Legend of Zelda) und keine andere Lösung zulassen. Rätsel gehören ebenfalls in diese Kategorie und sollten niemals, wie eine Tür verwendet werden. Man kann hinter einem Rätsel einen Bonus verstecken oder man kann sich durch die Lösung eines Rätsels das Leben erleichtern, aber wenn die Gruppe das Rätsel lösen muss, um weiterzukommen, ist das ein Designfehler, der vermieden werden sollte.
Die Prüfungen des Eremiten sind ähnlich. Wie auf dem Weg zu Frau Holle in dem allseits bekannten Märchen, werden Charaktereigenschaften geprüft. Betrachten wir mal eine Prüfung genauer und stellen uns vor, dass wir Beyond the Wall, Mausritter oder Dungeons & Dragons spielen:
Prüfung: Die Blumen bekommen in der Höhle zu wenig Licht.
Aufgabe: Sorge für Licht!
Donalds Lösung: Hochklettern und den Schnee über dem Lichtschacht beseitigen.
Versorge die Blumen mit Licht, ist eine gute Prüfung, denn man kann das Problem auf unterschiedliche Weisen lösen (schaffe Situationen, keine Lösungen). Man kann den Lichtschacht vom Schnee befreien, indem man hinaufklettert, einen Feuerzauber spricht, Magierhand verwendet, ein Feuer entfacht und den Schnee schmelzen lässt, etc. Ich könnte aber auch einen simplen Lichtzauber wirken, der die Blumen beleuchtet oder vielleicht finde ich noch andere Möglichkeiten, die Blumen mit Licht zu versorgen. Die andere Prüfung ist ähnlich: „Schöpfe Wasser aus dem Brunnen“ könnte auf vielfältige Weise gelöst werden. Nur die letzte Prüfung ist fürs Rollenspiel ungeeignet – Es sei denn, beide Lösungswege wären „richtig“. Moralgeschichten haben aber das Problem, dass eine Lösung tatsächlich die wirklich richtige ist. Wir wissen nicht, was passiert wäre, hätte Donald die „Reich-aber-einsam-Tür“ genommen. Im Rollenspiel sollte die Spielleitung aber darauf gefasst sein, dass jemand diese Tür wählt und ob das dann die „richtige“ Entscheidung war, sollte gar nicht die Frage sein. Die einzige interessante Frage die man sich stellen soltle ist: Welche Konsequenzen hat diese Entscheidung?
Rollenspielerische Randnotizen
- Dagoberts Schatzkammer hat ein gewaltiges Vorhängeschloss. Könnte es aus dem Besitz eines Riesen stammen? Wenn Riesen ebenfalls Schlösser benutzen, würden Riesen-Diebe Halblings-Diebe als Dietriche nutzen?
- Eine Truhe oder Schatulle, die eigentlich leer ist, aber beim Drehen des Schlosses den doppelten Boden offenbart ist ein schönes Versteck für einen Schatz oder eben eine Schatzkarte.
- War hinter der „Reich-aber-einsam-Tür“ eigentlich ein Schatz und wenn ja, dürfte Donald den Schatz mitnehmen oder wäre er dazu verdammt in Einsamkeit auf dem Berg zu leben? Ist der Eremit ein Schatzsucher, der die falsche Wahl getroffen hat?
- Der Eremit beherrscht den Grad-5-Zauber Ausspähung!
Quellen
- Borciani, Ezio und Leoni, Lucio: Der „Schatz aus dem Nichts“, in: LTB Nr. 232, Stuttgart, 1997
- Duckipedia über das Lustige Taschenbuch 232
- Wikipedia über die Gobi