Neue Ideen entstehen durch Konfluenz: Die Dinge laufen zusammen. So beschrieb es Neil Gaiman in einem Interview (oder einem Vortrag, ich bin nicht ganz sicher) und blicken wir auf seine Geschichten wie Schnee. Glas. Äpfel (Märchen + Schauerliteratur) oder Das Graveyard-Buch (Dschungelbuch, aber mit Geistern) sehen wir aus welchen Richtungen die Ideen zusammenlaufen. Letzteres hat noch eine weitere interessante Entstehungsgeschichte, denn Gaiman verriet in einem Interview, dass er das Graveyard-Buch schon recht früh konzipierte. Die Idee reifte in ihm, als er mit seinem Kind auf einem Friedhof spazieren ging. Doch er fühlte, dass er zu diesem Zeitpunkt als Schriftsteller, die Idee nicht gut genug zu Papier bringen könne und die Idee zu fabelhaft sei, um sie leichtfertig zu benutzen. Im Graveyard-Buch schlummerte etwas großes und er legte die Notizen zur Seite, dachte nach, schrieb und wartete auf den richtigen Moment.

Vor einigen Tagen erreichte mich ein Paket von Goodman Games: The Music of the Spheres is Chaos. Dies ist das einhunderste Abenteuer für Dungeon Crawl Classics. Harley Stroh hat ein gewaltiges Abenteuer gestaltet und etwas ähnliches habe ich bislang noch nicht gesehen: ein großes Spielbrett, drehende Räume, ein episches Unterfangen … Im Abenteuer befindet sich außerdem ein Design Diary mit Anmerkungen, wie das Abenteuer entstand und wie das große Puzzle konstruiert wurde. Einer dieser Einträge befasst sich mit Die besten Ideen.

Konfluenz!

Harley Stroh beschreibt darin, dass die meisten Spielleitungen ihre besten Abenteuer und Ideen hinauszögern: Die Gruppe muss sich die großartigen Monster, die zauberhafteste Ausrüstung und das größte Abenteuer in der Wolkenstadt erst verdienen (meistens indem sie lausige Koboldhöhlen durchsuchen …). Dungeon Crawl Classics setzte stets andere Akzente. Episch auf Stufe 0 bzw. Stufe 1 ist ein Aspekt, den ich bei DCC am meisten liebe. Mit den Chaosgöttern verhandeln? Ein Abenteuer der Stufe 1. Vielleicht alle rechtschaffenen Helden der Welt töten? Stufe 1. Unermessliche Reichtümer erringen? Stufe 1. Es gehört zu den schlimmsten Aspekten des Rollenspiels, wenn man sich zu den tollen Sachen durcharbeiten muss. Benutzt die Ideen doch sofort. Dieses Hinauszögern gilt übrigens auch für Autoren. Darum der Tipp: Horte deine Ideen nicht, benutze sie!

Wer Abenteuer (oder etwas anderes) schreibt, denkt immer darüber nach, ob seine Idee originell ist. Und man verguckt sich in seine Ideen und denkt: So eine einzigartige Idee werde ich wohl nie wieder haben, sollte ich sie wirklich jetzt schon einsetzen? Das erinnert mich ein wenig an Baldurs Gate 2, das ich mit so vielen Zaubertränken und Zauberstäben beendet habe, die mir das Leben hätten erleichtern können. Aber nein, ich hortete sie, bis zum Abspann und noch immer lagern sie in einer Speicherdatei, ungenutzt … Das ist einfach falsch. In dem Design Dairy wird das auf den Punkt gebracht:

[…] sometimes we withhold our most awesome ideas for fear that they are our best ideas. And that once we run them at the table, we’ll have spent them and never another.

Und das nie der Fall. Man sollte seine Ideen nicht horten, wie eine Elster oder ein Drache, der absolut nichts mit all dem Gold anfangen kann. Man sollte seine Ideen nutzen und sicher sein, dass es nicht die letzte Idee war. Alle in diesem Hobby, sind kreativ und haben Ideen für Abenteuer, Orte, Monster und Charaktere. Niemand muss Angst haben, dass der Ideenquell irgendwann versiegt und keine Spielrunde sollte durch 18 Stunden Langeweile geführt werden, damit es danach aufregend und abenteuerlich wird. DCC hat das bereits im System angelegt, andere Spiele mit einem W20 brauchen vielleicht von der Spielleitung einen ordentlich Schubs in die richtige Richtung.

Dieser Artikel entstand aus den beiden Positionen, wie das Graveyard-Buch und DCC #100 geschrieben wurden. Beide Positionen sind nachvollziehbar und ich tendiere eher zu „Benutze deine Ideen!“ Doch natürlich, habe ich ein paar Ideen, mit denen ich schon seit Jahren herumgehe und immer der Meinung bin, dass ich sie nicht richtig zu Papier bringen kann. Und betrachten wir Das Graveyard-Buch, dann hat sich die Wartezeit natürlich auch gelohnt. Es ist ein tolles Buch. Doch was wir nicht vergessen dürfen: Gaiman hat seine Idee irgendwann umgesetzt. Er hat sie nicht gehortet. Er hat sie vollendet und er hatte sicherlich auch keine Angst, dass es seine letzte Idee war. Genauso warf Harley Stroh alles was er hatte in The Music of the Spheres is Chaos und ich bin absolut sicher, dass wir noch weitere, noch bessere Abenteuer von ihm sehen werden.

Das Fazit ist also zweigeteilt: Ja, man kann manchmal etwas länger an einer Idee brüten, gerade wenn sie nicht so leicht auf Papier zu bannen ist. Aber sie MUSS aus dem Hort. Sie darf nicht im Notizbuch verschimmeln, man wird sich ärgern und nachts schlecht einschlafen. Wirf die Idee aus dem Hort und hab keine Angst, dass dies deine letzte gute Idee war. Die nächste Idee ist immer nur eine Konfluenz entfernt.