Exzellente Filme (z.B. Die Verurteilten, Goodfellas, Was vom Tage übrig blieb oder Shining – jeder hat bestimmt seine Lieblingsfilme gerade vor Augen) haben fabelhafte Schauspieler, beindruckende Bilder, tolle Musik und Drehbücher mit Dialogen, die einem im Gedächtnis bleiben. All das ist schwer (man könnte auch sagen unmöglich) auf ein Rollenspiel zu übertragen (zumal Rollenspiele keine Filme sind, wir kein Drehbuch haben und die Spielenden keine Schauspieler sind). Aber B-Movies haben diese Exzellenz nicht. B-Filme sind, das sagt die Klassifizierung bereits, zweite Wahl. Natürlich kann man sich auch an schlechte B-Movie Dialoge erinnern (Essen gibt Kraft.), an beeindruckende Musik (Yor’s World, he’s the man!) oder an Horst Janson in Captain Kronos, aber was B-Filme so wertvoll fürs Rollenspiel macht, sind die Filmbestandteile, die den normalen Zuschauer zur Fernbedienung greifen lassen, in der Hoffnung etwas anderes zu finden. Diese Bestandteile sind es, die zu den besten Inspirationsquellen fürs Rollenspiel zählen.

B-Filme denken (zu) groß

B-Filme wollen oft zu viel. Es gibt zu viele Handlungsstränge, zu große Szenen und zu große Wünsche an die Tricktechnik. Nach Star Wars und Conan wollte man ähnliche Filme machen, aber ohne gute Raumschiffmodelle, die Schauspieler, das Drehbuch und ohne den Soundtrack von Basil Poledouris. Aber der B-Film strebt danach die Stimmung der großen Blockbuster einzufangen. So ähnlich funktioniert auch Rollenspiel, wir versuchen die Stimmung von Das Ding aus einer anderen Welt oder Zwei glorreiche Halunken einzufangen, mit unseren begrenzten Mitteln, an einem Wohnzimmertisch. Ein B-Film dekonstruiert ein Genre und versucht die wichtigsten Aspekte nachzubilden. Ein gutes Beispiel sind alle Dschungel-Actionfilme die nach Predator gemacht wurden. Folgende Aspekte sind immer dabei:

  • durchtrainierte, verschwitzte Söldner;
  • der undurchdringliche Dschungel;
  • Szenen in denen in den Dschungel geballert wird;
  • dumme Sprüche.

Das wären Aspekte, die man auch von einem Predator-Rollenspielabenteuer erwarten sollte (plus ein Monster). Wir haben hier also die Quintessenz des Söldner-Action-im-Dschungel-Genres, damit es sich so anfühlt, als würde man Predator gucken bzw. nachspielen.

B-Filme denken weiter

Dracula ist ein Roman, der hunderte von Filmen hervorgebracht hat, ebenso wie Frankenstein. Aber gerade die Hammer Studios waren findig darin die Handlung von Dracula weiterzuerzählen, sie in neue Zeiten zu bringen, die Figurenkonstellation zu verändern. Man betrachte nur Dracula jagt Minimädchen, in dem Johnny Alucard den Grafen zurück ins Leben der 1970er holt oder auch Dracula 3000, in dem die Handlung an Bord eines Raumschiffes spielt, dass von Captain van Helsing gesteuert wird und das verschollene Raumschiff Demeter findet, auf dem sich Graf Orlock befindet. Diese Inspirationen sind fürs Rollenspiel unbezahlbar! Dracula 3000 ist kein guter Film (im Gegensatz zu Dracula jagt Minimädchen), aber die Idee bekannte Stoffe in ein neues Setting zu setzen, kennt man auch von A-Filmen: Wie oft wurde schon Akira Kurosawas Yojimbo verfilmt? Oder man denke an Die verborgene Festung, die Star Wars inspirierte. Rollenspielerisch fällt mir als erstes Midnight ein, das die einfache Frage stellt: Was passiert, wenn Sauron gewinnt? Kurzum: Eine Idee weiterzudenken sollte man sich zueigen machen. B-Filme sind hier ein ausgezeichnetes Beispiel.

B-Filme mischen Genres

Ergänzend zum vorherigen Punkt, aber trotzdem seperat erwähnt: Oftmals verwischen die starren Genre-Grenzen in B-Filmen. Steinzeitmenschen und Science-Fiction (Yor), 80er Jahre Action und Science-Fiction-Irgendwas (Atlantis Inferno) oder Western und Horror (The Burrowers). In solchen ungewöhnlichen Mischungen liegen gute Möglichkeiten und unverbrauchte Ideen. Dazu zählt auch, dass B-Filme sich nicht an Konventionen halten und wer die Konventionen und Klischees eines (beispielsweise) Fantasyabenteuers kennt, kann sie leichter aufbrechen: „Ritter befreien Prinzessinnen“ könnte zu „Ritter und Prinzessinnen befreien Könige“ werden oder „Drachen horten Gold“ könnte zu „Drachen vermehren Gold und jeder will einen in seiner Schatzkammer haben“ werden.

B-Filme haben B-Schauspieler

Das ist für Rollenspielende etwas gutes, für Filmfans eher schwierig. Darstellungen die völlig übertrieben sind, ständige Wiederholungen oder Dialoge bei denen das Papier nur so raschelt sind Klassiker aus dem Bereich des B-Films. Da wir aber Rollenspieler sind und keine Schauspieler, kann man sich hier einiges abgucken:

  • Wenn jemand böse ist, dann sind es richtige Bösewichte. Sie sind so übertrieben, dass auch wirklich jeder versteht: Ja, die Hexenmeisterin ist echt fies und ihr Kriegsfürst ist auch übel.
  • Wenn jemand schuldig ist, dann schwitzt er, stottert, verwickelt sich in Widersprüche und guckt auch ständig über die Schultern.
  • Wenn jemand im Bann eines alten Artefaktes ist, dann murmelt er wirre Prophezeiungen, kann das Artefakt nicht aus der Hand legen und erzählt ständig von dem Artefakt.

Kurzum: Overacting hilft deutlich zu machen, was gerade wichtig ist. Alternativ kann man das als Spielender auch immer wieder beschrieben, ohne die B-Movie-Schauspielkunst einzusetzen. Es sei denn man hat Lust dazu!

B-Filme haben B-Drehbücher

Aber nicht nur die Schauspieler erhalten B-Noten, auch die Drehbücher (siehe auch Punkt 1). Oftmals muss man Szenen erklären, die man nicht darstellen kann, weil das Budget für die Szene fehlt („Seht, dort erhebt sich der Skorpionkönig und seine Armee aus der verfallenen Pyramide!“ oder „Wir waren gestern in Paris und Rom für weitere Nachforschungen und haben das hier gefunden.“) oder man muss immer wieder in Dialogen erklären, was die Hauptfiguren gerade tun, weil es 25 Handlungsstränge gibt und man schnell durcheinanderkommt. Gerade letzteres sollte man sich fürs Rollenspiel abschauen, vor allem wenn man eine Kampagne spielt. Wer kann sich schon nach vier Wochen an all die Verwicklungen in Lankhmar erinnern und die offenen Probleme mit der Diebesgilde?! Wiederholungen sind auch während des Spielabends nützlich, damit jeder stets weiß was die nächste Option ist. Gleichzeitig sind die B-Filme auch ein gutes Beispiel wie man es nicht machen sollte: Wie schon erwähnt wollen B-Filme oft zu viel und beginnen darum mit einer kleinen Idee die immer größer und größer wird, bis Atlantis auftaucht und Rocker-Mayas durch eine amerikanische Vorstadt fahren (so gesehen in Atlantis Inferno) und alles nur noch zusammenhängt, weil ab und an die Hauptfiguren auftauchen (neben zwölf weiteren Personen, die man gar nicht kennt). Wenn man also seine Kampagne plant und die fünfte Partei auftaucht und eine Intrige spinnt, damit Partei 1 und Partei 3 sich gegenseitig zerfleischen (ohne das die Charaktere es wahrnehmen), dann sollte man vielleicht überlegen drastisch zu kürzen und zum wesentlichen zurückkehren. Insofern sind B-Drehbücher eine Warnung an alle SL keine zu komplexen Handlungen aufzubauen.

Fazit

Es macht Spaß B-Filme anzuschauen, nicht nur weil sie unfreiwillig komisch sein können, sondenr weil man echte Perle findet, die nicht alle kennen. Ich habe oft den Eindruck, dass mir B-Filme dabei helfen bessere Abenteuer zu gestalten oder Rollenspielrunden in Szene zu setzen. Und wer sich danach sehnt einen Film wie [Titel hier einsetzen] zu spielen, sollte sich den passenden B-Film dazu anschauen. Ein Film wie Conan? Die Barbaren! Ein Film wie Star Wars? Star Crash! Ein Film wie Star Wars und Conan? Yor – Hunter from the Future! Ich denke man lernt von einem B-Film mehr fürs Rollenspiel als von richtig guten Filmen und ich kann hier nur empfehlen sich den Spielfilm-Podcast anzuhören, in dem Frank und ich (und verschiedene Gäste) gute und weniger gute Filme auf Rollenspieltauglichkeit analysieren.