Gestern hörte ich jemanden sagen: „Hier gibt es ja mehr Bücher, als bei mir zuhause.“ Das kann zweierlei bedeuten: Möglicherweise besitzt diese Person nicht viele Bücher oder die Person befindet sich gerade auf einem Büchermarkt, den liebevolle Alliterationisten „Bücherbummel“ genannt haben. Dort fand ich mich in Gesellschaft befreundeter Bücherwürmer und buchbegeisterter Bummler und kaufte bergeweise Bücher. Eine zierliche Dame mit modischer Brille stand hinter einem der zahlreichen Klapptische und fragte mich, was mich denn interessiere. Als Bummler war ich auf so eine Frage gar nicht vorbereitet, ist doch das Bummeln definiert durch seine Ziellosigkeit. So sagte ich, dass mich „phantastisches“ interessiere, da ich es oft scheue, lange Diskussionen über „Rollenspiele“ vor, hinter oder an einem Klapptisch zu führen. Die Dame mit der modischen Brille empfahl mir sogleich zwei Titel E.M. Forsters Die Maschine steht still und Die Wand von Marlen Haushofer, welche ich sogleich gegen etwas Bargeld eintauschte. Vielleicht etwas zuviel, dachte ich später, aber die freundliche Beratung und das Wissen, dass die zierliche Dame zwei Bücher weniger nach Hause schleppen muss, zerstreut derlei Bedenken, genauso wie das Bummeln unter Bäumen stressreiche Gedanken zerstreut.
Stressreich kann auch die Recherche für Rollenspielmaterial sein. Sich neue Dinge auszudenken ist zwar erfreulich, aber auch mühevoll. Ich habe so viele Bücher über das Mittelalter und Burgen, dass ich leicht eigene Wehrtürme mit ihnen bauen könnte. Von hochwissenschaftlichen Büchern über GEO-Magazine bis hin zu Romanen, die ausschließlich in Burgen spielen, liegt hier alles irgendwo herum. Was ich aber hüte und hege, wie ein Bummelant die Notwendigkeit des Nichtstuns, sind Sachbücher für Kinder. Kindersachbücher und Rollenspielbücher haben viel gemeinsam und die Zielgruppen sind sich erstaunlich ähnlich: Beide Zielgruppen möchten etwas lernen (ohne den Spaß zu vernachlässigen), beide möchten die Phantasie angeregt wissen und beide gucken gerne schöne Bilder an. Wer schnell und mühelos die Zimmer und Gemächer einer Burg betrachten möchte, wirft einen Blick in ein Kindersachbuch und nicht in einen wissenschaftlichen Wälzer eines Burgenforschers aus Braubach. Nichts gegen Burgenforscher aus Braubach und ihre Expertise im Bereich der Burgenbaukunst, doch als Rollenspieler brauche ich deutlich weniger Informationen. Ich möchte außerdem schöne Bilder betrachten, kurze Texte lesen und Ideen für meine Abenteuer stehlen. Vielleicht benutze ich sogar den Aufbau der Burg für meinen nächsten Dungeon?
Eine Reihe, die mich seit einem schrecklichen Tag in der Grundschule begleitet, ist Was ist Was aus dem Tessloff Verlag. Der Verlag ist übrigens nach Ragnar Tessloff benannt, der nicht nur einen rollenspieltauglichen Vornamen hat, sondern auch der Sohn des SPD-Politikers Ernst Tessloff war, wie ich gerade bei Wikipedia erfahren habe. Insgesamt gibt es 146 Bücher (das jüngste hat das Thema Mythologie!) und eines habe ich in den frühen 1990er Jahren in der großen Pause, ganz in der Nähe des Eingangs vergessen. Es war Band 41 mit dem kurzen Titel Fische und genauso kurz war meine Freude, denn ich musste der Schulbibliotheksleiterin eingestehen, dass das Buch verschwunden war. Ich hatte es, ganz einfach gesagt, verbummelt.
Trotz dieses tränenreichen Missgeschicks ist die Was-ist-was-Reihe eine vorzügliche Reihe, um rollenspielerische Inspirationen zu finden. So kaufte ich auf dem Bücherbummel einer weiteren Dame (ohne modischer Brille) diverse Bücher ab und erhielt sogar noch einen Rabatt auf meinen Einkauf, der mir erlaubte anschließend ein Stück Apfelkuchen zu essen (ein Getränk brachte ich vorausschauend aus dem heimischen Kühlschrank mit). Die rollenspieltauglichsten Was-ist-Was-Titel habe ich mitgenommen: Höhlen, Pilze, Urmenschen, Fossilien … Da schreibt sich das Abenteuer doch von selbst und die Illustrationen laden zum verweilen ein! Ich kann nur jedem empfehlen für bestimmte Abenteuerthemen einen Blick in diese Buchreihe zu werfen und wer schon lange nicht mehr in einer Bibliothek war, kann dort in der Sachbücherabteilung für Kinder Erstaunliches entdecken. Man sollte nur nicht, bei all den Büchern, ins Bummeln geraten. Schließlich muss das Abenteuer auch geschrieben werden.