Einen NSC im Rollenspiel zu fürchten ist schwierig. Richie Aprile (bekannt aus den Sopranos) ist ein unberechenbarer Typ, er jagt einem Angst ein. Aber da wir Rollenspiel spielen und nicht Schauspiel betreiben, ist es schwer genauso aufzutreten wie David Proval. Genauso unmöglich ist es, wie Frank Silva in der Rolle von Bob (Twin Peaks) als SL aufzutreten. Allein so eine exzellente Jeansjacke zu bekommen ist heutzutage eine Herausforderung, aber entscheidener ist, dass wohl kaum jemand so eine Ausstrahlung wie Silva hatte. Was wir aber auch ohne gutes Schauspiel hinbekommen ist Abneigung. Abneigung zu erzeugen, die sich zu Hass steigern kann (wobei das schon ein starkes Wort ist), ist als SL viel leichter zu erzeugen als Furcht. In World Wide Wrestling gibt es nicht nur ausgezeichnete Spielmechaniken für ein tolles Wrestling Match, es gibt auch aufschlussreiche Artikel über Wrestling. So auch zum Heel, dem Bösewicht des Matches. Doch der Heel zeichnet sich nicht nur dadurch aus böse zu sein, indem er den Veranstaltungsort beleidigt, unpatriotisch ist oder das Publikum verlacht, nein damit es richtig ballert, muss der Heel …
[…] hinhören, zuschauen und mehr über das Publikum rausfinden. Er muss dem Publikum vermitteln: „Ihr seid mir so wichtig, dass ich mir genau EURE wunden Punkte ausgesucht habe. Das Gleiche gilt am Spieltisch. Schau dir deine Spielgruppe an und finde, was bei ihr ankommt. Spiel damit mindestens so viel, wie du deinen Charakter spielst. Bring sie nicht zum Ausrasten, lös keine Fehden in der Gruppe aus. Aber finde etwas, mit dem du spielen kannst und bau es ein. Zeig ihnen, dass du zugehört hast.
Es gibt ein fabelhaftes Video zum Thema, was mir seinerzeit Frank empfohlen hat und sehr gut erklärt, wie ein guter Heel funktioniert. Aber wie sorge ich dafür, dass mein Bösewicht gehasst wird? Dazu gibt es ein paar Charakterzüge, mit denen man den Bösewicht austatten könnte und die universell funktionieren:
Der Bösewicht ist unfair: Der Bösewicht hält sich nicht an Regeln, er betrügt, wo immer es möglich ist, er lügt schamlos und das Schlimmste (und Wichtigste für die Darstellung am Spieltisch ist) ist: Er kommt damit durch. Wir habe ein tiefverwurzeltes Gerechtigkeitsgefühl und wer dagegen verstößt wird verachtet. Ein häufiger Trick des Heels im Wrestling ist (so wurde mir gesagt), den Schiedsrichter abzulenken, um den Kontrahenten dann mit unfairen Mitteln zu schlagen, beispielsweise mit einem Klappstuhl.
Der Bösewicht vergreift sich an Unschuldige und Schwächere: Ein Klassiker. Non-Kombatanten werden in den Konflikt hineingezogen, Kollateralschäden werden billigend in Kauf genommen, vielleicht versteckt sich der Bösewicht sogar hinter Unschuldigen und ist so geschützt vor Flächendeckenden Gegenangriffen. Das schafft einen exzellenten Konflikt, denn die SC sind vielmehr darin bestrebt, die Unschuldigen zu schützen. Womöglich stellt der Bösewicht auch seine besondere Grausamkeit dar, in dem er Unschuldigen Leid zufügt.
Der Bösewicht nutzt die Stärken der SC zu seinen Gunsten: Ich hatte schon auf den Diebstahl der eigenen Waffe in der Conan-Serie hingewiesen und wie sehr einen das ärgern kann. Vielleicht kennt der Bösewicht auch dieselben Zauber der SC oder bringt die treuen Freunde oder angeheuerten Mietlinge der SC dazu, die SC fallen zu lassen. Entscheidend ist hier allerdings, dass man nichts erzwingen sollte.
Der Bösewicht ist überheblich: Sich für den Besten zu halten und gleichzeitig die Leistung der SC kleinzureden ist hervorragend, um einen Bösewicht so richtig verachtenswert darzustellen. Harlan Ellison sprach mal von Arroganz gepaart mit Dummheit, gegen die man nur schwer ankommt (Zitat zu finden in: Wood, Timothy J.: Harlan Ellison at the Boston Center for Adult Education, Oct. 30-31):
There’s nothing worse than arrogant stupidity; arrogance you can tolerate, idiocy you can get around, outsmart, but both together are inscrutable.
So ein Bösewicht wird das Blut der Spielrunde sicherlich in Wallung bringen. Hier kann man auch leicht aus seinen Erfahrungen schöpfen, wir alle sind sicher schon solchen Leuten begegnet, wir sind ja im Internet unterwegs. Passend dazu auch …
Der Bösewicht wird ungerechtfertigt gelobt: Man kennt es aus der Schule oder dem Berufsleben. Jemand streicht die Lorbeeren ein, für etwas an dem er gar nicht beteiligt war. Eine erstklassige Methode, um den Bösewicht so richtig unsympathisch zu machen, denn auch hier wird unser Gerechtigkeitssinn angegriffen.
Der Bösewicht stellt sich nicht dem Kampf: Zuletzt noch eine kleine Frage: Was wäre, wenn sich der Bösewicht kontinuierlich dem Kampf entzieht? Was ist, wenn er der Berater der Königin ist? Kein besonders guter Kämpfer, aber sehr gut darin, den SC Steine in den Weg zu legen. Wie sehr kann man den Hass gegen den Bösewicht schüren, wenn er zwar ständig präsent ist, aber dennoch unerreichbar?
Es lohnt sich auch die großen Bösewicht aus Filmen, Serien oder Büchern anzuschauen und von ihnen zu lernen. König Joffrey (Game of Thrones), Dolores Umbridge (Harry Potter) oder Mildred Ratchet (Einer flog über das Kuckucksnest) sind exzellente Beispiele dafür, dass man eine Figur mit Charakterzügen austatten kann, die einen bis zur Weißglut treibt.