William von Baskerville, bekannt aus Umberto Ecos Roman Der Name der Rose ist außerordentlich scharfsinnig. Seine Beobachtungsgabe und seine Fähigkeiten zu deduzieren gleicht der von Sherlock Holmes, aber das ist beim Namen Baskerville natürlich auch kein Zufall (wobei der Fall der Baskervilles kein Ruhmesblatt für Sherlock Holmes ist, wie Pierre Bayard in seinem Buch Freispruch für den Hund der Baskervilles feststellte). Zugleich hat der Mönch einen unstillbaren Wissensdurst. Das Kloster, in dem die Handlung des Romans spielt, besitzt eine gewaltige Bibliothek und allzu gern möchte William einen Blick auf die kostbaren Bücher werfen. Doch die Bibliothek ist für niemanden zugänglich, außer für den Bibliothekar und seinen Adlatus.
Nun stellt es sich aber heraus, dass der Abt des Klosters ein Problem hat: Adelmus von Otranto, einer der Klostermönche, ist zu Tode gekommen, womöglich ermordet? Es gehen seltsame Dinge im Kloster vor und der ehemalige Inquisitor William von Baskerville könnte das Problem lösen. Der Abt braucht einen Außenseiter mit besonderen Fähigkeiten (wie das auch so häufig bei Rollenspielabenteuern der Fall ist). Und wie es um Williams Fähigkeiten bestellt ist, erfahren wir gleich zweimal zu Beginn des Romans: Zuerst hilft William dem Cellerar des Klosters dabei, das Pferd des Abtes zu finden – wohlgemerkt ohne das William den Abt, das Pferd oder gar das eigentliche Problem kennt. Es ist eine klassische Sherlock-Holmes-Szene, eine Demonstration der Begabung und Fähigkeit des Detektivs (wie der Spazierstock im Hund der Baskervilles oder der zerbeulte Hut in der Geschichte Der blaue Karfunkel). Später, im Gespräch mit dem Abt, deduziert William logisch nachvollziehbar, warum der Abt befürchtet, dass etwas Schändliches in seinem Kloster vorgeht. Auch wenn William den Tatort nie sah, wo Adelmus zu Tode gekommen ist, kann er dem Abt eine Erklärung liefern, warum keine Spuren von Regenwasser zu finden waren. Beeindruckt kommentiert der Abt: „Wahrlich, man hat mir noch nicht genug berichtet von Eurem Scharfsinn […].“ Der Abt ist sich also sicher: wenn jemand das Problem lösen kann, dann William von Baskerville.
Da der Tote Adelmus ein bekannter Miniaturenmaler war und der Mord und viele Hinweise auf die Bibliothek deuten, möchte William das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Vermutlich ist er in Wahrheit viel mehr daran interessiert die Bibliothek zu sehen, als dieses kleine Mordrätsel zu lösen, was den Abt so sehr beschäftigt. So trägt William also vor, dass es entscheidend sein könnte, die Bibliothek selbst zu untersuchen. Aber der Abt beharrt darauf, dass es unmöglich sei die Bibliothek zu betreten, ja es ist sogar gefährlich: „Kämt Ihr hinein, Ihr kämt nicht wieder heraus.“ Aber William hat einen guten Hebel, um erneut anzusetzen:
„Wie soll ich einen Tod untersuchen, wenn ich den Ort nicht sehen darf, an dem die Geschichte seines Todes möglicherweise begonnen hat?“
Das ist der entscheidene Punkt. Es gibt keinen sinnvollen Grund die Regeln des Klosters in diesem Zusammenhang weiterhin aufrechtzuerhalten. Der Abt will den Kriminalfall vom Detektiv aufgeklärt sehen (der im Rollenspiel für die Gruppe steht und der auf seinem Charakterbogen als Fate Aspekt etwas wie Sherlock Holmes stehen hat oder eine Intelligenz von 18 besitzt, 90% in Verborgenes erkennen besitzt, etc.) und William kann den Fall problemlos aufklären (wir haben seine Expertise bereits zweimal gesehen). Wie praktisch für William, dass die Bibliothek mit dem Kriminalfall verknüpft ist und er so Nachforschungen anstellen und gleichzeitig noch einige seltene Bücher begutachten kann. Der Einwand von William ist also völlig berechtigt: Ich würde ja wirklich gern dein Problem lösen, ehrenwerter Abt, aber wenn ich nicht in die Bibliothek kann, wie soll ich das dann machen? Aber er hat nicht mit der Findigkeit des Abtes gerechnet, der zu folgender Erwiderung ausholt:
„Verehrtester Bruder William“, sagte der Abt konziliant, „einem Mann, der meinen Rappen Brunellus beschreiben konnte, ohne ihn je gesehen zu haben, und der den Tod des Adelmus zu schildern vermochte, obwohl er so gut wie nichts darüber wußte – einem solchen Manne wird es kaum schwerfallen, in seine Gedanken Orte miteinzubeziehen, zu denen er keinen Zutritt hat.“
Eine bessere Verkehrung von überragender Intelligenz und Beobachtungsgabe ist mir nicht bekannt! Zum einen, weil der Abt Williams überragenden Scharfsinn in eine Schwäche verwandelt und zum anderen, weil William nun gezwungen ist seinen Status als bester Detektiv verteidigen zu müssen. Würde William darauf bestehen den Tatort zu untersuchen, würde er seine Genialität schmälern und da er eine gewisse Eitelkeit besitzt, kommt das nicht in Frage. Dies schwingt auch bei Sherlock Holmes mit, der gerne Dr. Watson und Inspektor Lestrade schulmeisterliche Erklärungen gibt, was sie übersehen haben. Der Abt hat William in dieser Hinsicht durchschaut, packt ihn bei seiner Eitelkeit und nutzt den Vorteil „Sherlock Holmes“ als Nachteil.